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/ Aminet 25 / Aminet 25 (1998)(GTI - Schatztruhe)[!][Jun 1998].iso / Aminet / docs / mags / gadget35.lha / AmigaGadget35 / Texte / j&s.deraufzug / j&s.deraufzug
Text File  |  1998-04-12  |  4KB  |  80 lines

  1. #Titel Jokes & Stories / Der Aufzug
  2. #Logo gadget35:Pinsel/AG.J&S
  3. #Font topaz 8
  4. #C21
  5. Entsetzt saß der Junge in seinem Bett und konnte sich gerade noch die Decke auf
  6. den Mund pressen um den Schrei etwas zu dämpfen. Ängstlich wartete er, ob ihn
  7. jemand gehört hatte, was aber nicht der Fall zu sein schien. Seine Eltern
  8. hatten einen gesunden Schlaf.
  9. Ein schwarzes, pelziges Etwas war gerade durch seinen Traum geschlichen. Er
  10. hatte schon lange nicht mehr daran gedacht, nun aber kamen die Bilder mit
  11. aller Deutlichkeit zurück...
  12.  
  13. #Font Losse 16
  14. #C31
  15. Der Aufzug
  16. #Font topaz 8
  17. #C21
  18.  
  19. Steve fuhr wie jede Nacht mit dem Aufzug neben der Toilette ins Erdgeschoß. Er
  20. hätte auch den neben seinem Büro nehmen können, aber er war in den letzten
  21. Jahren immer mit diesem Aufzug gefahren und obwohl das für ihn jedes Mal einen
  22. Umweg bedeutete, konnte er diese Gewohnheit nicht ablegen. Er drückte auf den
  23. Knopf neben der Aufzugtür und hörte wie jede Nacht das leise Klingeln, als die
  24. Türen sich öffneten. Obwohl er es sich nicht eingestehen wollte wartete er
  25. jedesmal intensiv auf dieses Klingeln, das für ihn immer etwas Tröstliches
  26. hatte. Es tröstete ihn darüber hinweg, daß sein Chef ihn jeden Tag anschrie
  27. und ihn wie den letzten Dreck behandelte, auch wenn Steve das niemals
  28. zugegeben hätte.
  29.  
  30. Der Fahrstuhl glitt langsam am 11. Stockwerk vorbei in die Tiefe. Im 9. Stock
  31. ertönte wieder die Fahrstuhlglocke und die Türen öffneten sich. Außerhalb des
  32. Fahrstuhls herrschte tiefste Finsternis und Steve fröstelte seltsamerweise,
  33. als er feststellte, daß niemand wartete, um in den Aufzug einzusteigen.
  34. Er blickte auf den dunklen Flur hinaus und verspürte das sichere Gefühl,
  35. beobachtet zu werden. Plötzlich wünschte er sich nichts lieber, als daß sich
  36. die Fahrstuhltüren wieder schließen und er das vertraute Klingeln hören würde.
  37. Als hätten sie seine Gedanken gelesen, schlossen sich die Türen in diesem
  38. Moment und zum drittenmal hörte Steve das Klingeln. Er atmete auf, blickte
  39. erleichtert zur Fahrstuhldecke und gab einen erstickten, quiekenden Schrei von
  40. sich. Über ihm hing etwas pelziges mit glänzenden roten Augen. Zuerst konnte
  41. Steve es nicht genau erkennen; es war als müßte sein Gehirn dieses Ding erst
  42. in etwas umformen, das es ihm ermöglichte, nicht auf der Stelle verrückt zu
  43. werden.
  44.  
  45. Das Ding atmete ganz offensichtlich und jetzt sah Steve so etwas wie einen
  46. Mund, aus dem dünne zähflüssige Fäden herausflossen. Einer dieser Fäden löste,
  47. dehnte sich immer weiter und tropfte schließlich auf Steves Schulter, von wo
  48. aus er sich langsam auf Steves Hals zubewegte. Starr vor Entsetzen stellte
  49. Steve fest, daß der klebrige Faden zu leben schien und als er Steves Hals
  50. erreicht hatte, sank er zischend in seine Haut ein und Steve schrie wieder;
  51. diesmal nicht nur vor Schreck sondern auch vor Schmerz. Hauptsächlich vor
  52. Schmerz. Dann hatte das Schicksal Mitleid mit ihm und er wurde ohnmächtig. So
  53. mußte er nicht mitansehen, wie noch mehr dieser merkwürdig lebenden Fäden
  54. auf ihm landeten, in sein Fleisch drangen und dabei ihr Gift freigaben. Er
  55. sah auch nicht, wie das Wesen sich langsam an einem Faden nach unten gleiten
  56. ließ und in seine Richtung gekrochen kam, wobei seine Füße kleine Brandflecken
  57. auf dem nagelneuen Teppich des Aufzugs hinterließen.
  58.  
  59. Als es auf Steve herumkroch begann es erst langsam, dann immer hektischer, ihn
  60. mit einem dicken, weißen Faden einzuspinnen. Dabei berührte eines seiner Beine
  61. wie zufällig Steves rechtes Auge, das mit einem leisen "Plopp" aufplatzte.
  62. Immer schneller wurde Steve eingesponnen, bis er aussah wie eine riesige,
  63. verpuppte Raupe.
  64.  
  65. Als Steve etwas später in der Düsternis des Fahrstuhldachs noch einmal
  66. kurz zu Bewußtsein kam sah er, daß das gesamte Dach ein Wirrwarr aus
  67. ineinanderlaufenden grauen Fäden bedeckte; sie bildeten eine Art Mulde, in
  68. deren Mitte die Spinne saß. Zwischen ihren Kiefern sah Steve ein kleines
  69. Tier (möglicherweise eine Katze), das langsam immer dürrer wurde, während die
  70. Spinne es aussaugte. Hinter der Spinne war eine seltsam pulsierende,
  71. fußballgroße Kugel zu sehen. Plötzlich bröckelte sie auseinander und hunderte
  72. kleiner Spinnen kamen daraus hervorgekrochen.
  73.  
  74. Das letzte, was Steve hörte, bevor er wieder das Bewußtsein verlor, war das
  75. leise Klingeln, als sich die Fahrstuhltüren wieder einmal öffneten um einen
  76. neuen Passagier einzulassen.
  77.  
  78. #C31
  79. (c) Stephan Hübner
  80.